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Renaissance & Barock

Um das Jahr 1500 herum beginnt eine Epoche, die ganz Europa grundlegend verändert. Christoph Kolumbus leitet das Zeitalter der Entdeckungen ein, Johannes Gutenberg macht mit dem Buchdruck Bildung für weitere Kreise zugänglich, bald darauf bricht mit der Reformation die westeuropäische Kirche auseinander.

Auch das Denken der Menschen ändert sich: man hofft nicht mehr nur auf ein besseres Leben im Jenseits, sondern wendet sich der realen Welt zu. Das ist allerdings keineswegs das Ende der Religion: auch in der Natur ist man auf der Suche nach Gott, nach den geistigen Prinzipien seiner Schöpfung. Die Künstler suchen nach perfekten Proportionen, nach Harmonie und idealer Schönheit - damit wollen sie der Größe Gottes auf die Spur kommen. Wieder sind italienische Künstler dabei dem Rest Europas weit voraus, vor allem in und um Florenz.

Die Verbindung von Natur und Religion zeigen etwa die Blumen, die der Dominikanermönch Fra Angelico seiner Madonna gegeben hat: Sie sind ganz realistisch gemalt, aber sie haben eine symbolische Bedeutung - die weißen Lilien stehen für die Reinheit, die Rosen ohne Dornen für die Unschuld der Jungfrau Maria.

Vom Wandel der Kunst in Katalonien zeugen die Bilder des Malers Ayne Bru. Der Heilige Candidus war eigentlich ein römischer Legionär, der sich weigerte, Christen zu verfolgen - Ayne Bru malt ihn als Ritter in vollem Prunk seiner eigenen Zeit. Unter seinem Samtbarett schaut er uns etwas skeptisch an. Das ist alles ganz irdisch und realistisch, ganz im Stil des neuen Denkens. Der goldene Hintergrund allerdings gehört eigentlich noch ins Mittelalter.

Der Heilige Cucuphas, auf katalanisch Sant Cugat, war ein Kaufmann, der zu Zeiten des römischen Kaisers Diokletian in Barcelona missioniert hatte und dafür ermordet wurde - und zwar genau hier, etwas außerhalb der Stadt. Über 1200 Jahre später steht hier das Kloster Sant Cugat de Vallés.

1502 hat Ayne Bru den Auftrag bekommen, ein neues Altarbild für die Klosterkirche zu malen - und zwar für ein fürstliches Honorar. Er muss damals sehr berühmt gewesen sein. Eigentlich heißt er wohl Hans Brünn und stammt aus Mitteleuropa - und er hängt offenbar an seiner fernen Heimat: die Landschaft im Hintergrund passt überhaupt nicht nach Spanien. Die Personen kleidet er wieder nach der Mode der Zeit. Zum Teil erinnern sie an den italienischen Stil des Quattrocento - Bru hat wohl auch in Italien gelernt. Wiederum typisch für die nordeuropäische Malerei aber ist der drastische Realismus, der das Bild zu einem der bekanntesten Motive des Museums macht.

Schmerz und Fassungslosigkeit - den Aposteln stehen ihre Gefühle ins Gesicht geschrieben: Maria, die Muttergottes, ist gerade gestorben. Auch der Bildhauer Damià Forment aus Barcelona hat die Realität genau beobachtet. Während des ganzen Mittelalters hatten Statuen Typen dargestellt: "den Propheten" oder "den König". Davon ist hier nichts mehr zu sehen - Forment zeigt die Apostel als wahre Menschen, als Individuen mit Gefühlen und Gedanken. Die Gewänder mit ihren Falten sehen aus wie römische Togen, und auch die Bärte der Apostel erinnern an römische oder griechische Vorbilder. In solchen Werken erlebt die Antike ihre Wiedergeburt - oder auf Französisch: eine `Re-naissance´.

Spanien vereinigt

In Katalonien ist das Mittelalter mit einem Paukenschlag zu Ende gegangen: 1469 hat Ferdinand von Aragon Isabella von Kastilien geheiratet. Gemeinsam herrschen sie als die "Katholischen Könige"; sie erobern das letzte muslimische Reich von Al Ándalus und schließlich auch Navarra. Ganz Spanien ist jetzt vereint - und die Hauptstadt des neuen Reiches heißt Madrid. Katalonien bleibt zwar wie bisher autonom - aber Barcelona rückt an den Rand. Mit der Entdeckung Amerikas verliert auch der Handel im Mittelmeer seine Bedeutung. Das Zentrum von Wirtschaft und Politik liegt jetzt in Madrid - und auch für die Kunst rückt der Hof der spanischen Könige in den Mittelpunkt. Für die nächsten zweihundert Jahre erzählt das katalanische Nationalmuseum deshalb fast nur von spanischen Künstlern - unter ihnen allerdings einige der größten Meister der Kunstgeschichte.

Die Apostel Petrus und Paulus haben sich nach ihrem Streit über die jüdischen Gesetze offenbar ausgesprochen, aber nicht wirklich versöhnt: sie haben ihre Arme gekreuzt, aber sie reichen sich nicht die Hände. Gemalt hat die Szene Domínikos Theotokópoulos - ein echter Europäer: in seiner Heimat Kreta wird er als Ikonenmaler bekannt, mit Mitte zwanzig zieht er nach Venedig, dann nach Rom und schließlich nach Spanien. Er hofft auf Aufträge des Königs. Daraus wird zwar nichts, aber von Toledo aus wird er trotzdem zum berühmtesten Künstler von Spanien. Die Spanier nennen ihn "den Griechen", und zwar auf Italienisch: El Greco. Die leuchtenden Farben, Erbe seiner Zeit in Venedig - das Spiel von Licht und Schatten auf den Gewändern - und vor allem die hageren Gesichter, die den Heiligen eine asketische, überirdische Erscheinung geben: all das lässt ein Werk El Grecos sofort erkennen. Wenige Maler haben einen so charakteristischen Stil entwickelt.

Im Jahre 1614 stirbt El Greco. Fünf Jahre später malt auch Diego Velazquez den Apostel Paulus. Typisch die gedeckten, dunklen Farben - die sind in Velazquez Heimatstadt Sevilla damals gerade in Mode. Obwohl er erst zwanzig Jahre alt ist, ist Velázqeuz in Sevilla schon berühmt. Nur vier Jahre später wird er in Madrid zum Hofmaler von Philip IV. ernannt - nicht zufällig nachdem er den König porträtiert hat.

Denn Velazquez ist einer der besten Porträtmaler aller Zeiten. Auch Paulus scheint man direkt in die Seele zu schauen. Velázquez' Porträts wirken wohl auch deshalb so lebensecht, weil er lebende Modelle malte - und zwar oft direkt mit Ölfarben, ohne Vorzeichnung. Dazu kommt die Lichtregie, die starken Hell-Dunkel-Kontraste. All das ist typisch für die Malweise, mit der der Italiener Caravaggio eine Generation vorher die Malerei revolutioniert hat.

Auch José de Ribera hat Caravaggio studiert. Dem Heiligen Bartholomeus wird bei lebendigem Leib die Haut abgezogen - Ribera zeigt das realistisch brutal. Während der Renaissance haben die Künstler nach Idealen gesucht, nach den Spuren Gottes in der Natur und im Menschen - damit ist es nun vorbei. Hier ist nichts mehr idealisiert. Und das ist von den Kirchenoberen auch so gewollt: man steckt mitten in der Gegenreformation, das Bild soll jeden davon abschrecken, sich etwa der Lehrmeinung der Kirche zu widersetzen. Der Mann für diese Aufgabe ist ein Spanier in Italien: José de Ribéra, geboren in der Nähe von Valencia, ist nach Neapel ausgewandert. "Lo Spagnoletto", nennt man ihn dort, "den kleinen Spanier", und er gilt neben Caravaggio als größter Meister der Schule von Neapel.

Um den dramatischen Effekt zu steigern, wendet Ribera noch extremere Hell-Dunkel-Kontraste an als der junge Velázquez. Unweigerlich ziehen die weit aufgerissenen Augen des Heiligen Bartholomäus in ihren Bann. Mit solchen Bildern hat wieder eine neue Epoche der Kunstgeschichte begonnen: die Zeit des Barock. Nicht mehr klassisches Ebenmaß ist gefragt, sondern Dynamik und Dramatik.

Die Geburt des Barock

Bilder aus Italien, aber aus einer spanischen Kirche: Die Kirche San Giacomo degli Spagnoli ist die spanischen Nationalkirche in Rom. 1602 lässt der kastilische Adlige Juan Enríquez hier eine neue Kapelle ausmalen. Den Auftrag dafür bekommt Annibale Carracci. Neben Caravaggio gilt er als zweiter Begründer des Barock. An den Seitenwänden der Kapelle erzählt er die Geschichte des Heiligen Diego von Alcalá, der einst die Ureinwohner der Kanarischen Inseln missioniert hatte. Im Zentrum aber steht Mariä Himmelfahrt - beobachtet von den erstaunten Jüngern rings um ihr leeres Grab.

Die frischen, zarten Farben erinnern an Raffael - kein Zufall: Carracci hat dessen Bilder gründlich studiert. Das ist die andere Seite des Barock: nicht düstere Dramatik, sondern Szenen voller Leben und Bewegung.

Wie Velazquez war auch Francisco de Zurbarán Hofmaler für Philip IV, die beiden waren fast gleich alt. Seine "Unbefleckte Empfängnis" ist eines der Meisterwerke des Museu Nacional, ein Bild voll mystischer Atmosphäre. Im Zentrum die Jungfrau mit einem Ausdruck reiner Unschuld. Was zuerst wie ein Kranz von Wolken aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Gloriole aus Engeln. In den Wolken Symbole für Marias Tugend: die Himmelsleiter - der Spiegel der Gerechtigkeit - der Morgenstern - das Tor zum Himmel. Engel singen einen Text aus dem Hohelied Salomos: "Quae est ista quae progreditur quasi aurora consurgens" - "wer ist sie, die aufgeht wie die Morgenröte"? Zwei Gelehrte rezitieren Worte aus dem Hymnus "Ave maris stella": "Monstra te esse matrem, mites fac et castos" - "Zeige Dich als Mutter, mach uns sanft und keusch".

Fronleichnam

Keine zehn Jahre, nachdem Zurbarán das Bild gemalt hat, lehnen sich die Katalanen noch ein Mal gegen die Kastilier auf. 1640 bricht an Fronleichnam ein blutiger Aufstand los: die "Guerra dels Segadors", der "Krieg der Erntehelfer". Noch heute erzählt die katalanische Hymne davon - ein eindringlicher Aufruf, Katalonien und sein Volk zu verteidigen. Über zehn Jahre kämpfen die Katalanen, sie gründen sogar eine Republik - aber schließlich unterliegen sie. Und sie müssen den Norden Kataloniens, das Roussillion, an Frankreich abtreten.

Zwei Generationen später tobt wieder ein Krieg. Diesmal geht es um die spanische Thronfolge. Die Katalanen schlagen sich auf die Seite des Habsburger Erzherzogs Karl. Es ist die falsche: nach jahrelangem Kampf gewinnt der Franzose Philip von Anjou, ein Enkel Ludwigs XIV. Seine Dynastie, die Bourbonen, stellt bis heute die spanischen Könige.

Nach seiner Krönung übt Philip konsequente Rache: Katalonien verliert jegliche Autonomie, das Königreich Valencia wird gleich ganz aufgelöst. Alle Gesetze kommen fortan aus Madrid, der König ernennt die wichtigsten Beamten, im öffentlichen Leben darf nur noch Spanisch gesprochen werden.

Aber noch immer widersetzt sich Barcelona. Über ein Jahr belagert Philip die Stadt - am 11. September 1714 kapituliert sie schließlich. Bis heute wird der Tag der Niederlage als "Diada de Catalunya", als katalanischer Nationalfeiertag begangen. Es ist der Tiefpunkt der katalanischen Geschichte: der Tag, an dem Katalonien als eigenständiger Staat aufhört zu existieren.

Über hundert Jahre wird es dauern, bis die Katalanen ihre eigene Kultur wiederfinden. Und über zweihundert Jahre später wird ein leidenschaftlicher Patriot dem Museum die größte Stiftung überlassen, die es jemals bekommen hat: der Politiker Francesc Cambó. Das überragende Erbe des Mittelalters will er ergänzen - und schenkt dem Museum Werke aus ganz Europa: Bilder von den Meistern der Renaissance wie dem Venezianer Tizian oder Lucas Cranach aus Deutschland - Bilder aus dem Barock, aus der Goldenen Zeit der Niederlande und des großen Flamen Peter Paul Rubens - bis hin zum französischen Rokoko.

"À l'espagnol" - "auf die spanische Art": so sagt man zu dieser Zeit, wenn jemand besonders extravagant gekleidet ist. "À l'espagnol" posiert hier Jean-Claude Richard, der "Abt von Saint-Non" - Adliger, Geistlicher und selbst Künstler. Er ist der Freund und Gönner von Jean-Honoré Fragonard, einem der großen Maler des Rokoko. Fragonard ist neben Watteau der Meister der Leichtigkeit. Heitere Farben, ein schneller, bewegter Pinselstrich - mit seiner Malweise weist er auf den Impressionismus voraus. Als Jean-Honoré Fragonard 1805 stirbt, hat die Industrialisierung der Welt schon begonnen. Sie wird Katalonien seinen zweiten großen Ausschwung bescheren - und mit ihm die Wiedergeburt der katalanischen Kultur: die Renaixenca.