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Macht und Untergang der Assyrer

Im Jahre 1910 fanden die Ausgräber um Walter Andrae im Vorhof des Tempels von Assur eine Menge von kleinen Bruchstücken aus Basalt. Wieder einmal standen die Restauratoren vor einem Puzzle ohne Vorlage. Systematisch studierten sie Bruchstück für Bruchstück, setzen Figuren zusammen, ergänzten fehlende Stücke - und so entstand schließlich eine kleine archäologische Sensation: ein quadratisches Becken, auf dessen Wänden sich alles um das Element Wasser dreht. Am oberen Bildrand sprudeln aus offenen Gefäßen Ströme von Wasser, die in der Mitte der Seitenflächen in den Händen von Göttern zusammenfließen und weiter zu Boden strömen. Auch an den Ecken stehen Götter mit Wassergefäßen, zu erkennen an ihren Hörnerkronen.

Die Götter werden eingerahmt von Priestern, die in den Händen Eimerchen halten. Lange dachte man, ihre Gewänder seien Fischen nachempfunden. Inzwischen weiß man aber, dass es im Euphrat eine Fischart gibt, die Menschengröße erreicht. Deren Häute zogen sich die Priester über, so dass ihre Köpfe tatsächlich aus einem echten Fischmaul herausragten.

Wozu genau das Becken diente, wissen wir nicht. Die wenigen erhaltenen Schriftzeichen berichten nur, dass König Sanherib es erbauen ließ. Aber das Becken ist wiederum ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass das Wasser in Mesopotamien immer im Mittelpunkt stand. Großzügige Regenfälle und ausgeklügelte Bewässerung machten das Land überaus fruchtbar.

Und erst auf diesem Fundament konnte die politische Stärke der Assyrer wachsen. Ihre Macht belegt diese Stele, gefunden in Zincirli, in der östlichen Türkei. Hier lag einst das späthethitische Königreich Sam'al. Die Assyrer hatten es unterworfen - und die Hethiter sollten nie vergessen, wem sie jetzt untertan waren:

"Wer diese Stele von ihrem Ort entfernt, meinen geschriebenen Namen auslöscht und seinen eigenen Namen hinschreibt, dessen Männlichkeit möge Ischtar, die Herrin des Kampfes und der Schlacht, weiblich machen und ihn gebunden zu seiner Feinde Füße niedersitzen lassen."

Diese drastische Drohung ließ König Asarhaddon auf die Stele meißeln. Er hatte Syrien und Palästina erobert und im Jahre 671 vor Christus den ägyptischen Pharao Taharka besiegt. Die Stele verherrlicht seine Siege.

Auf der Vorderseite sieht man Asarhaddon im vollen Ornat seiner Königswürde, neben seinem Kopf verschiedene Göttersymbole und Kultbilder. Vor dem König knien zwei besiegte Herrscher. Um Asarhaddons Autorität zu betonen, ist er wesentlich größer dargestellt als die unterworfenen Fürsten - ein typisches Stilmittel der damaligen Zeit. Man spricht hier von der "Bedeutungsperspektive". Um die Demütigung seiner Feinde noch zu erhöhen, führt Asarhaddon sie wie Ochsen an Ringen, die durch ihre Nasen oder sogar ihre Lippen gezogen sind. Die Kleidung der beiden Gefangenen deutet darauf hin, dass der vordere der Sohn von Pharao Taharka sein könnte und der hintere der syrische Herrscher Baal von Tyrus.

Im Jahre 608 vor Christus, nicht einmal zwei Generationen nach diesem Triumph, starb der letzte Assyrerkönig. Kaum 60 Jahre später fiel auch Babylon. Die großen Kulturen Mesopotamiens waren untergegangen.