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"Grüner Kopf"

Neben den Porträtköpfen der Nofretete und ihrer Schwiegermutter Teje ist der "Grüne Kopf" das berühmteste Kunstwerk im Ägyptischen Museum Berlin. Stünde er nicht hier im Zusammenhang der altägyptischen Kunst, würde es schwer fallen, ihn einer bestimmten Epoche und Region der Kunstgeschichte der Welt zuzuordnen. Nur der Rückenpfeiler, dessen oberes Ende am Nacken erhalten geblieben ist, ist ein eindeutiges Indiz für die ägyptische Heimat dieses außerordentlichen Werkes aus grün-grauem Silt-Stein.

Der kahle Kopf - ein Hinweis auf einen Würdenträger im Priesterrang - zeigt in feiner Modellierung die Unregelmäßigkeiten und starken Asymmetrien der Schädelstruktur. Auch die Gesichtsbildung ist asymmetrisch, sowohl in ihrem Aufbau aus zwei ungleich breiten Gesichtshälften als auch in den Details der Falten an den Augenwinkeln, an der Nasenwurzel, zwischen den Augenbrauen, auf der Oberlippe, auf den Wangen und vor den Ohren und besonders ausgeprägt bei den tief eingeschnittenen Linien, die die Nasenflügel mit den Mundwinkeln verbinden.

Der Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit wird durch die Spannung zwischen der glatten Oberfläche der Haut und dem darunter sichtbar zutage tretenden Schädel noch gesteigert. Die hohe Qualität dieser Skulptur hebt sie aus den Regeln der künstlerischen Entwicklungslinien heraus und macht sie zu einem avantgardistischen Meisterwerk jenseits aller Normalität. In dieser Sonderstellung liegt die endlose Debatte begründet, die in Fachkreisen über die Datierung des Kopfes geführt wurde und noch geführt wird. Aus der Sicht der klassischen Archäologie ist dieses Porträt ein Produkt der Begegnung der altägyptischen und der griechischen Kunst. Dem kann entgegengehalten werden, dass die ägyptische Kunst seit dem Alten Reich außergewöhnliche Individualporträts hervorgebracht hat. Der unmittelbar neben dem "Grünen Kopf" ausgestellte Kopf des Kahotep, zwei Jahrtausende früher geschaffen, zeigt das in aller Deutlichkeit.

Die aktuelle kunstgeschichtliche Forschung datiert den "Grünen Kopf" in die Zeit um 400 vor Christus, also in die letzte selbständige altägyptische Dynastie, bevor Ägypten durch die Eroberung durch Alexander den Großen um 330 vor Christus ein Teil der hellenistischen Welt wird.