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Die Moderne

Das achtzehnte Jahrhundert war der Tiefpunkt der katalanischen Geschichte. Mit der Industrialisierung aber beginnt ein neuer Aufschwung. Barcelona wird zum wichtigsten Zentrum der Textilindustrie. Und damit beginnt auch die Wiedergeburt der Kunst. 1775 gründen die Direktoren der Handelskammer eine neue Schule für Stoffdesign. Ihr Sitz wird La Llotja, die alte Warenbörse. Ein historischer Ort: der große Saal des Gebäudes stammt aus der Zeit der Gotik. In der Glanzzeit Barcelonas trafen sich hier die Kaufherren, um mit Waren aus aller Welt zu handeln. Jetzt wird aus der neuen Designschule schnell die wichtigste Kunstakademie von Katalonien - die "Escola de la Llotja". Als wäre der Geist des Mittelalters in den alten Mauern noch lebendig, beginnt hier der glanzvolle Wiederaufstieg von Barcelona als Stadt der Kunst. Bis hin zu Joan Miró und Pablo Picasso werden einige der größten Künstler Europas aus der Schule von La Llotja hervorgehen - im Museu Nacional füllen die Bilder ihrer Studenten die Säle der modernen Abteilung. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts fällt ein Schüler besonders auf. Sein Name: Marià Fortuny. Mit gerade einundzwanzig Jahren schickt ihn die Provinzregierung von Barcelona nach Marokko: Fortuny soll die Ruhmestaten der Katalanen im Spanisch-Marokkanischen Krieg dokumentieren. 1860 beobachtet er die Schlacht, in der die spanischen Truppen die Stadt Tetuan erobern. In einem gewaltigen Gemälde hält er sie fest. Immer wieder wird er in den nächsten zehn Jahren daran arbeiten, aber das Bild niemals wirklich vollenden.

Abseits des Krieges aber ist Marià Fortuny fasziniert von der schillernden Welt Marokkos. In hunderten von Skizzen und Gemälden hält er sie fest. Dabei zeichnet er aber nicht die Klischees, die zu dieser Zeit gerade in Mode sind, sondern die Realität in vielen scharf beobachteten Details. Auch in seiner Heimat findet er faszinierende Motive - wie das Hochzeitspaar, das seinen Ehevertrag unterschreibt. Aus allen Klassen und Schichten kommen die Hochzeitsgäste - und Fortuny charakterisiert sie mit viel Ironie und Blick für Details.

Mit seinem Stil schlägt er eine Brücke zwischen der alten und der neuen Zeit: Sein Pinselstrich erinnert an die Leichtigkeit des Rokoko und an den Impressionismus - aber jenseits aller romantischen Verklärung nimmt er die wahre Welt aufs Korn. Gerade dass er so nah an der Realität ist, wird ihm selbst schließlich zum Verhängnis. Denn oft arbeitet er nicht im Atelier, sondern vor Ort, unter freiem Himmel. Und dabei steckt er sich in der Nähe von Neapel mit Malaria an.1874, mit gerade 36 Jahren, stirbt Marià Fortuny - der Maler, den viele für den größten spanischen Künstler des neunzehnten Jahrhunderts halten.

Der Realismus

Auch Ramon Martí Alsina hat an der Schule von Llotja studiert. Er führt weiter, was Fortuny begonnen hat. Sein berühmtestes Bild zeigt einen Mann beim Mittagsschlaf. Ein ganz normaler Mensch, in einem schlichten Raum mit einem einfachen Möbelstück - eine Szene aus dem Alltag, ganz direkt, ohne Überhöhung: das ist der Stil des Realismus, dessen Pionier vor allem der Franzose Gustave Courbet war. Ramon Martí Alsina hat dessen Bilder in Paris gesehen und seine Ideen in Katalonien eingeführt.

"Realismus" - das Wort bekommt jetzt eine ganz neue Bedeutung. Es geht nicht mehr darum, Heilige oder Helden möglichst naturgetreu abzubilden, es geht nicht mehr um Ideale oder den Glauben, sondern um einfache Menschen und deren Realität. Das ist ein Schritt hin zur Kunst der Moderne - und ein politischer Anspruch: Die Realisten regen dazu an, sich über die sozialen Verhältnisse Gedanken zu machen.

Landschaften malt man nicht mit viel Fantasie im Studio, sondern unter freiem Himmel: auch das gehört zum Realismus. Das nimmt sich besonders Joaquim Vayreda zu Herzen. Er ist erst Schüler, dann Mitarbeiter von Ramon Alsina, bevor er sich im Städtchen Olot am Rand der Pyrenäen niederlässt. Hier begründet er eine Malerschule, die sich vor allem der Landschaft widmet - ein Gegenpol zur städtischen Gesellschaft von Barcelona.

Der Modernisme

Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts entsteht ein neuer Kunststil, der Barcelona weltweiten Ruhm bringen wird. Die Stadt boomt und wächst über ihre alten Mauern hinaus. "Eixample" nennt man die neuen Viertel: "die Erweiterung". Die reichen Bürger der Stadt wollen ihr Vermögen zur Schau stellen und dabei Sinn für Kunst und Kultur beweisen - und so werden die Neubauten zu Meisterwerken einer Bewegung, die ganz Europa erfasst. Jedes Land hat seinen eigenen Namen dafür: Arts and Crafts, Art Nouveau, Secessionsstil oder Jugendstil. Aber nirgends sonst wird daraus eine so umfassende Kunstbewegung wie hier: der katalanische Modernisme. Eine Generation lang wird er zum Symbol für den Wohlstand und den Kunstsinn der katalanischen Bürger.

Direkt am neuen Prachtboulevard Passeig de Gracia entsteht ein Block, in dem gleich drei Meisterwerke des Jugendstils stehen. Der Architekt Lluís Domènech hat das Haus der Familie Morera entworfen. Gegen die gesichtslosen Bauten der Industrialisierung setzt er Ornamente, die von der Natur inspiriert sind und zugleich an historische Bauwerke erinnern.

Vor allem aber: Domènech baut nicht auf Industrie-Produkte, sondern auf die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern. Architektur und Skulptur, Malerei und Design sollen zu einem organischen Ganzen verschmelzen. So wird der Salon im ersten Stock zu einem Gesamtkunstwerk, das heute im Museu Nacional bewahrt wird. Die wunderbaren Intarsien stammen aus der Werkstatt des Designers Gaspar Homar, der das Design des Modernisme prägt wie kaum ein anderer. Einer der Grundsätze der Modernisten ist es, die akademische Trennung von Kunst und Kunsthandwerk zu überwinden. Von der Fassade bis zur Türklinke, vom Fußboden bis zum Bücherschrank gestalten Künstler und Handwerker gemeinsam die Häuser.

Im selben Häuserblock wie Montaners Casa Morera steht das Haus des Schokoladenfabrikanten Antoni Amatller, entworfen von Josep Puig - auch er einer der großen Architekten des Jugendstils.

Zum Star des Modernisme aber wird einer der eigenwilligsten Baumeister aller Zeiten: Antoni Gaudí. Das Haus, das er für den Industriellen Josep Batlló umgebaut hat, gehört heute zum UNESCO Weltkulturerbe - wie viele andere von Gaudís einzigartigen Bauwerken.

Auch in Gaudís Bauten gehört die Inneneinrichtung mit zum Gesamtwerk. Kaum bekannt, aber im Museu Nacional zu sehen: Möbel, von Gaudí selbst entworfen. Mit innovativen Ideen - für eine Kirchenbank etwa kombiniert er auf ganz ungewohnte Weise Holz und Gußeisen. Aber bei aller Originalität: Maß für Gaudís Entwürfe ist immer die Natur. Er plant seine Möbel für den menschlichen Körper mit seinen Rundungen - so ist Antoni Gaudí eigentlich ein früher Verfechter der Ergonomie.

Casas und Rusiñol

Der Modernisme umfasst nicht nur Architektur und Design. Das katalanische Nationalmuseum zeigt eine der schönsten Sammlungen von Malerei und Plastik des Jugendstils weltweit. Zu den wichtigsten Malern um die Jahrhundertwende gehören die beiden Freunde Ramon Casas und Santiago Rusiñol. Die Kunstmetropole der Welt ist zu dieser Zeit Paris - und wie viele andere beginnen auch Casas und Rusinol dort ihre Karriere. Zusammen leben sie am Montmartre, damals eine billige Gegend am Stadtrand. Gleich um die Ecke: Die "Moulin de la Galette", ein beliebtes Ausflugslokal. Die Küche ist eher ärmlich.

Der Blick nach draußen sollte eigentlich auf einen Biergarten voller Leben gehen - Santiago Rusiñol aber zeigt ihn in menschenleerer Stille. Das wirkt wie eine Vorahnung. Denn einige Zeit später wird Rusiñol morphiumsüchtig. Erst nach Jahren findet er aus der Sucht heraus - und malt bis ans Ende seines Lebens immer wieder einsame Parks und Gärten.

Rusiñol stammt aus einer Familie von Textilfabrikanten. Eigentlich sollte er das Familienunternehmen weiterführen - aber mit 28 Jahren hat er Frau und Kind verlassen, um Maler zu werden. Und er wird einer der vielseitigsten Künstler seiner Zeit. Nicht nur als Maler: Zusammen mit Ramon Casas veröffentlicht er Bücher - Rusiñol schreibt die Texte, Casas malt die Bilder. In Sitges bei Barcelona gründen die beiden eine Kombination aus Werkstatt, Museum und Künstlertreffpunkt: die "Cau Ferrat", die "Eiserne Höhle", heute eine Dependance des Museo Nacional. Hier genießt Rusiñol das Leben als Bohemien. Als Sohn einer reichen Familie muss er sich sein Leben lang nie Sorgen um Geld machen.

Auch Ramon Casas gehört zu den bedeutendsten Malern des Modernisme. Er hat viele seiner Freunde und Kollegen gemalt, und so besitzt das Nationalmuseum mit seinem Nachlass ein wahres Panoptikum von Künstlern und Literaten der Jahrhundertwende.

Von Casas stammen zwei der eigenwilligsten und berühmtesten Bilder des Jugendstils überhaupt. Sie erinnern an Plakate von Henri Toulouse-Lautrec. Kein Zufall: Casas kennt Toulouse-Lautrec aus Paris, und er hat sich auch selbst als Grafiker einen Namen gemacht. Die beiden Bilder zeigen ihn selbst und Pere Romeu, den Manager und Barkeeper der Kneipe "Els Quatre Gats". Dort hingen die Bilder auch an der Wand - das Tandem von 1897 bis 1900, danach ganz zeitgemäß das Auto.

"Els Quatre Gats", "Die vier Katzen" - das Lokal wird zum wichtigsten Zentrum des Modernisme. Gegründet hat es Ramon Casas selbst, zusammen mit seinen Freunden Rusiñol, Miguel Utrillo und eben Pere Romeu. Der hatte vorher im legendären Pariser Kabarett "Le Chat Noir" gearbeitet. Wie das große Vorbild ist auch das "Els Quatre Gats" Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle, Veranstaltungsort und Galerie. Die Speisekarte hat ein junger Student der Schule von La Llotja gestaltet, der hier auch zum ersten Mal ausstellen darf. Sein Name: Pablo Picasso.

Auch Joaquim Mir ist oft im Quatre Gats. Er ist mit Rusiñol und Casas befreundet, hat sie gerne in Paris besucht - aber als einziger namhafter Künstler seiner Generation hat er niemals dort gelebt. Und vielleicht hat er gerade deshalb einen ganz eigenen Stil entwickelt. Er zieht aufs Land, nach Maspujols in der Nähe von Tarragona - und malt das Dorf, wie es noch nie jemand gesehen hat. Alles ist Farbe, kraftvoll und ungewohnt, beinahe abstrakt. Vollends zum Delirium aus Licht und Farbe wird das Triptychon "Der blaue Pool", das Mir auf Glas gemalt hat.

Fin de Siècle: Aufbruch und Zukunftsangst

Bei aller Begeisterung für den Modernisme erregt er aber auch Misstrauen. 1893 hat sich eine Gruppe von Künstlern zum "Kreis von Sant Lluc" zusammengeschlossen. Maler, Bildhauer, Architekten - auch Antoni Gaudí gehört dazu. Was sie eint: sie sind alle zutiefst katholisch. Die Weltoffenheit und der lockere Lebenswandel vieler Modernisten scheinen ihnen unmoralisch.

Eine ihrer Regeln lautet: keine Nackten - kein Verstoß gegen Anstand und Sitte. Bald aber merken sie, dass sie dieses Verbot künstlerisch doch allzu sehr einschränkt. Und so schafft ausgerechnet der Bildhauer Josep Llimona, der die Gruppe einst mitbegründet hatte, später eine der schönsten Nacktfiguren des Jugendstils: "Desconsol" - "Untröstlich".

Das Werk von Josep Llimona erinnert an eine Skulptur von Auguste Rodin, "Die Danaide", aber es ist viel melancholischer. Das hängt vielleicht mit seiner Entstehung zusammen: es ist die Akt-Version einer Grabfigur. 1883 ist am Montjuïc ein neuer Friedhof eröffnet worden. Er hat den Bildhauern von Barcelona einen Boom beschert: auch die Gräber sollen den Status der Bürger zeigen.

Die Skulpturen sind Symbole für abstrakte Gefühle wie Schmerz oder Mitgefühl. Den Künstlern geht es nicht pimär um Abbildungen, sondern um die Assoziationen, die ihre Werke hervorrufen: um Stimmungen, Träume und Ideale. Dieser "Symbolismus" ist typisch für das Lebensgefühl des Fin de Siècle: die Menschen schwanken zwischen Euphorie und Weltschmerz, zwischen Aufbruchsstimmung und Zukunftsangst.

Die Einsamkeit einer Zigeunerin - den Blick abgewandt - ohne erkennbaren Hintergrund: man spürt, dass sie nicht zu unserer Welt gehört. Isidre Nonell malt die Verlierer des Aufschwungs. Damit beginnt er im Tal von Boí, das in der Romanik so bedeutend war. 1896 war Nonell als junger Maler dorthin gereist, um die Landschaft zu malen. In den Dörfern aber sah er viele Menschen, die an Missbildungen und Behinderungen litten - und von diesem Moment an malt er vor allem die Verachteten der Gesellschaft: Bettler, Obdachlose, Zigeuner. Mit seinem sehr persönlichen Stil zeigt er das menschliche Drama unter der Oberfläche.

Auch der junge Pablo Picasso malt zur selben Zeit ähnliche Bilder voller Traurigkeit - seine "Blaue Periode". Beide drücken damit auch ein allgemeines Unbehagen aus; sie erzählen von der Kehrseite des boomenden Kapitalismus.

Aber davon wollen die Kunstsammler nichts wissen. Die reichen Bürger, die den Modernisme tragen, wollen die Schattenseiten des Booms nicht sehen. Nonells bittere Bilder lösen Abscheu und wüste Polemik aus. Nonell ist tief gekränkt, arbeitet aber unbeirrt weiter. Und im Jahre 1910 ist die Zeit endlich reif: eine Ausstellung in der Galerie Faianç Català wird zum Triumph - endlich kaufen die Besucher seine Bilder. Nonell aber kann den Erfolg nicht lange genießen: nur ein Jahr nach dem Durchbruch stirbt er an Typhus.

Der Noucentisme

Nach dreißig Jahren geht der Modernisme allmählich zu Ende. Und wieder sind es ehemalige Schüler der Schule von La Llotja, die neue Ideen entwickeln. Einer von ihnen ist Joaquim Sunyer, einst Studienfreund von Isidre Nonell und Joaquim Mir.

Fünf Frauen in einer Landschaft, eigentlich selbst Teil der Landschaft: fest in der Erde verwurzelt, den Blick zu den Feldern und zum Meer hin geöffnet. Wasser, Land und Licht als Quelle der Energie - das Motiv ist eine Allegorie auf das Land selbst. Joaquim Sunyers Bild ist eines der Schlüsselwerke der neuen Bewegung. Für Sunyer ist der Modernisme ein "importierter" Stil aus Nordeuropa - Katalonien als Mittelmeerland aber soll zu seinen Wurzeln zurückkehren: zur klassischen griechisch-römischen Antike. Mediterrane Szenen, das ganz besondere Licht - aus all dem soll ein Nationalstil entstehen.

"Noucentisme" nennen ihn die Künstler. Das Wort hat eine doppelte Bedeutung: "nou" heißt auf Katalanisch neun, und der "Neunhundert"-Stil ist eine Anspielung auf italienische Bezeichnungen wie "Quattrocento". "Nou" heißt aber auch neu - der Noucentisme soll der Stil des neuen Jahrhunderts sein.

Zum größten Bildhauer des Noucentisme wird Josep Clarà. In Paris hat er Auguste Rodin getroffen - und vor allem einen Bildhauer, der sein Freund und Vorbild wird: Aristide Maillol - auch er Katalane, aus dem Roussillon, dem französischen Teil Kataloniens. Die beiden sind verwandte Seelen: Maillol wie Clará sind auf der Suche nach klassischer Harmonie.

Die Noucentisten streben nach ewigen Werten, nach Klarheit und Ordnung - auch politisch. Sie richten sich gegen den Liberalismus der Moderne, den sie als anarchisch empfinden. Zudem sind sie katalanische Patrioten - auch Maillol, der Katalane aus Frankreich. All das kommt beim Bürgertum gut an - und so stehen bis heute mitten in Barcelona Kopien von Clarás Statuen.

Zwischen den Kriegen

Der Erste Weltkrieg wird zur Zäsur für Künstler in ganz Europa. Wie sollen sie in ihren Werken auf soviel Tod und Zerstörung reagieren? Zugleich wird die Welt immer schneller und komplexer. Die Kunst spaltet sich in unzählige Strömungen mit immer neuen Ausdrucksformen.

Immer mehr rückt dabei die abstrakte Kunst in den Mittelpunkt. Einen ganz eigenen Beitrag dazu liefert Juli González aus Barcelona. Bei seinem Vater hatte er eine Lehre als Goldschmied gemacht, wurde dann aber Maler. Im "Els Quatre Gats" trifft er Pablo Picasso, und die beiden werden Freunde. Auch Gonzalez zieht nach Paris. Mit zweiundvierzig Jahren beginnt er eine Lehre als Schweißer bei Renault - und entdeckt die Bildhauerei für sich.

Eine Obstschale und eine Flasche. Ein Stilleben als Skulptur: das ist auch für González ungewöhnlich. Das Etikett modelliert er - die Flasche aber definiert er, indem er sie weglässt. González spielt mit dem Wechsel von Materie und Raum, von positiven und negativen Formen. Gerade die Einfachheit macht den Reiz aus - und die erstaunliche Erkenntnis, wieviel man mit einer Eisenplatte erzählen kann. Gonzalez findet mit seinen Eisenskulpturen einen ganz eigenen Stil. Selbst Picasso lernt von ihm. Jahrelang arbeiten die beiden Freunde zusammen - und Julio Gonzalez wird zum Vorbild für Bildhauer aus aller Welt, eine Schlüsselfigur der Avantgarde.

Die Welt abzubilden - das wird jetzt Aufgabe der Fotografie. Vor allem die Fotoreportage verändert die Perspektive. Die amerikanischen Illustrierten Life und Harper's Bazaar werden immens populär. Fotografen wie Robert Capa oder Agustí Centelles sorgen dafür, dass die Leser zum ersten Mal die ganze Welt hautnah erleben. So wird der Spanische Bürgerkrieg 1936 mit seinen Grausamkeiten zur Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg - und zum ersten Medien-Krieg der Menschheit.

Auf den Bürgerkrieg folgen vierzig Jahre Faschismus unter General Franco - und wieder beginnt für Katalonien eine Leidenszeit. Aber wieder überlebt die katalanische Kultur - nicht zuletzt dank den Künstlern, die im Konflikt mit der Diktatur die Freiheit der Kunst hochhalten.

Und wieder gehören katalanische Künstler zu den größten der Welt - allen voran Pablo Picasso, Joan Mirò und Salvador Dalí, später auch Antoni Tàpies. Sie alle haben zumindest zeitweise in Paris gearbeitet. Heute aber sind sie wieder in Barcelona zu Hause.

Pepe Serra Villalba, Direktor des MNAC:

"In dieser Stadt gibt es ein Museum, das Picasso gewidmet ist, ein Museum, das Mirò gewidmet ist, ein Museum, das Tapies gewidmet ist, in Figueras ein Museum, das Dalí gewidmet ist - alle vier geschaffen von den Künstlern selbst, das sind sehr wichtige Museen, und die Aufgabe des MNAC ist es nicht, diese Museen zu ersetzen, sondern sie in die globalen Zusammenhang, in die globale Kunstgeschichte einzubinden, während sich diese Museen auf eine Figur konzentrieren. Die Summe dieser Museen gibt eine umfassende Sicht …"

Auf beinahe symbolische Weise schließt sich 1961 der Kreis der katalanischen Kunstgeschichte: der gotische Aguilar-Palast wird zum Museum für Pablo Picasso umgebaut - und hinter einer Wand kommen die einmaligen Fresken zutage, mit denen der Hausherr siebenhundert Jahre vorher die Eroberung von Mallorca gefeiert hatte. Auch sie finden ihren Weg ins Nationalmuseum und erzählen nun von den großen Zeiten der Krone Aragón.

Tausend Jahre Kultur, von den Glanzzeiten im Mittelalter bis zur Wiedergeburt im neunzehnten Jahrhundert, von den Meistern der Moderne weiter in die Zukunft - das ist das große Erbe Kataloniens im Museu Nacional d'Art de Catalunya.