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Bordelle und Bäder, Tavernen und Theater - Unterhaltung

Nichts wird in der Männergesellschaft von Pompeji so bewundert wie Virilität und Potenz. Selbst in den Straßen ist der Phallus allgegenwärtig. Er ist Symbol für Fruchtbarkeit - und Amulett: er wendet den bösen Blick ab und bringt Wohlstand. Die Ausgräber im 19. Jahrhundert waren schockiert: überall Phallen! War Pompeji voll von Bordellen? Tatsächlich gibt es eine Menge Werbung für Prostituierte in der Stadt, sie haben ihre Dienste in Kneipen angeboten und auch in den Thermen. Aber deuten erotische Malereien in Hinterzimmern wirklich auf einschlägige Etablissements hin?

Letzten Endes gibt es nur ein einziges Gebäude, das sich klar als Bordell identifizieren lässt. Die Zeichnungen über den Türen sind eindeutig - vielleicht ein Katalog der Angebote? In einer Ecke eine Toilette, fünf Kabinen unten und genauso viele im oberen Stock: sehr romantisch sieht das nicht aus - selbst wenn man sich auf den Liegen Kissen und kuschelige Felle vorstellt.

Die Prostituierten waren Sklavinnen aus fernen Ländern. Ihre Dienste waren schnell und billig: einmal Sex kostete etwa so viel wie eine gute Flasche Wein. Wieder gilt: die Reichen versorgen sich zu Hause - Beziehungen zu Sklavinnen sind ganz normal. Die Ärmeren kommen hierher. Aber sie sind nicht unzufrieden - davon erzählen hunderte von Graffiti.

Die wichtigsten öffentlichen Treffpunkte sind die Thermen. Im römischen Imperium trifft man sich nackt. Seine Sachen legt man in Wandnischen ab. Allerdings besser keine Wertsachen: hier wird gerne mal geklaut - davon erzählen selbst die römischen Schriftsteller. Die Räume sind prunkvoll - wahre Paläste für das Volk. Jeder entspannt hier, vom Sklaven bis zum Senator. Selbst mancher Kaiser zeigt sich demonstrativ in den öffentlichen Thermen von Rom.

Die Vorstadtthermen von Herculaneum gehören zu den besterhaltenen der Welt - und zugleich ist gerade hier die Gewalt des Vulkans gut zu sehen. Auch hier hat die Asche Türen aus Holz konserviert. Der zentrale Ofen wärmte nicht nur das Wasser, sondern auch die Fußbodenheizung. Hier in Kampanien wurde sie erfunden, und von hier hat sie sich über das ganze Reich ausgebreitet: ein ausgeklügeltes System mit doppelten Fußböden und Wänden, hinter denen warme Luft zirkuliert. Abends nach getaner Arbeit, zog es die Pompejaner in die Kneipen. Wie in einem Comicstrip hat ein Wirt seinen Alltag an die Wand malen lassen.

Die Bedienung bringt ein Glas Wein, das offenbar sehnsüchtig erwartet wird: "Hier!", ruft der linke Gast, "Nein, das ist meins", ruft der rechte. Der Bedienung ist das egal: "Wem auch immer es gehört - nehmt es." Daneben eine etwas zögerliche Liebesszene - oder das Ende davon? "Ich will nicht mit Myrtalis…", sagt der Mann - was er nicht will, werden wir nie erfahren. Eines der liebsten Laster der Pompejaner ist das Würfelspiel. Allerdings gibt es auch hier Uneinigkeit: "Gewonnen!" - "Nein, das war eine drei!" Dass daraus ein handfester Streit wird, zeigte einst das letzte Bild. Nur die Inschriften sind erhalten - mit ein paar deftigen Beschimpfungen der beiden. Dem Wirt aber wird die Sache zu dumm: "Wenn ihr euch streiten wollt, dann raus!"

Die Spielleidenschaft verbindet Arm und Reich - Würfel hat man in den reichsten Häusern genauso gefunden wie in billigen Kneipen. Wein und Würfel - das ist etwas für den Feierabend. Wer sich aber wirklich etwas gönnen will, geht ins Theater. Pompeji hatte schon lange vor der Hauptstadt Rom ein Theater. Wieder begegnet uns Marcus Holconius Rufus: er hat das alte Gebäude restaurieren und erweitern lassen - seitdem fasst es fünftausend Menschen, beinahe die Hälfte der Einwohner von Pompeji.

"Sie kommen um zu sehen, sie kommen um gesehen zu werden", schreibt der große Dichter Ovid. Er meint nicht nur die Frauen in ihren schicken Kleidern, sondern auch die vornehmen Männer. Die ärmeren Bürger, Frauen und Sklaven sitzen in den oberen Sitzreihen. Von hier können sie den Schauspielern auf der Bühne zujubeln - und ihren reichen Gönnern. Für die sind die unteren Sitze reserviert. Die breiten Eingänge neben der Bühne nutzen sie für ihre großen Auftritte. Das Volk hat einen separaten Zugang - gleich neben dem der Honoratioren, aber schmal und steil.

Die Pompejaner müssen theaterverrückt gewesen sein: überall in der Stadt findet man Darstellungen der typischen Masken. Trotzdem galt der Beruf des Schauspielers als unehrenhaft. Damit standen sie auf demselben Niveau wie Prostituierte - aber auch wie die größten Stars der Unterhaltungsindustrie: Die Gladiatoren. Ihre Bühne ist das Amphitheater. Auch hier muss das Volk auf die oberen Ränge steigen, während die Reichen eigene Zugänge zum Parkett haben. Die meisten Sitze sind im Jahre 79 noch aus Holz, erst nach und nach werden sie durch steinerne Bänke ersetzt. Durch die breiten Portale halten die Kämpfer ihren triumphalen Einzug.

Das Spekaktel beginnt mit einer Jagd auf Wölfe und Bären. Löwen hat es in Pompeji wohl nie gegeben - dafür musste man nach Rom reisen. Und auch die Gladiatorenkämpfe waren nicht ganz so blutrünstig wie wir uns das heute oft vorstellen. Gladiatoren waren nicht automatisch todgeweiht.

Prof. Karl-Wilhelm Weeber, Wuppertal/Witten:

"Das Publikum entschied letztlich über Wehe und Wohl eines unterlegenen Gladiators. Natürlich kam es vor, dass jemand im Kampf tödlich verletzt wurde. Aber wenn er unterlag, also aufgeben musste, und tapfer gekämpft hatte und, man könnte auch sagen, ‚eine gute Show abgeliefert' hatte, dann haben die Zuschauer in aller Regel ihn entlassen."

Und viele der Sieger wurden zu umjubelten Stars - nicht nur für die Unterschicht. Selbst im Zugang der Honoratioren zum Theater hat jemand seine wahren Idole verewigt. Die Fans führen Statistiken über die Siege ihrer Helden und feiern sie, wie hier im Peristyl im Haus der Ceii. Auch viele Frauen schwärmen für die Champions: sie sind verachtet, roh, gewalttätig - aber echte Männer. Die meisten sind Sklaven oder verurteilte Verbrecher - aber bei soviel Ruhm gibt es immer wieder auch freie Römer, die freiwillig Gladiatoren werden und damit "Sklaven auf Zeit".

Fünf- oder sechsmal im Jahr tritt ein Gladiator auf. Die übrige Zeit wohnt und trainiert er hier in der Gladiatorenkaserne, als Teil einer Truppe, die einem "Lanista" gehört. Auch solche Truppen hießen "Familia" - die Gegner in der Arena waren im wahren Leben wohl oft Freunde. Deshalb hatten sie kaum Interesse daran, sich gegenseitig umzubringen. Und auch ihr Besitzer hatte das nicht.

Prof. Karl-Wilhelm Weeber:

"Die Gladiatoren waren in der Regel hervorragend ausgebildet, das heißt, es war viel investiert worden in ihre Ausbildung, und deswegen war es auch ein herber finanzieller Verlust, wenn ein Gladiator ums Leben kam."

Auch die Gladiatoren-Spektakel wurden von den Reichen gestiftet. Sie waren zwar sehr teuer, aber gut fürs Image. Die großzügigsten Sponsoren haben sogar Sonnensegel über der Arena bezahlt - und sich damit besonders beliebt gemacht. Volle zweiundzwanzigtausend Menschen passen in das Amphitheater - mehr als in Pompeji leben. Es ist ein Entertainment-Zentrum: die Zuschauer kommen aus der ganzen Umgebung, von Bauernhöfen und aus den Nachbarstädten. Und wie immer unter Nachbarn pflegt man alte Rivalitäten. Im Jahre 59 nach Christus explodieren sie.

Davon erzählt dieses Fresko: Zu einer Gladiatoren-Show sind viele Zuschauer aus der Nachbarstadt Nuceria gekommen. Im Vordergrund ist noch alles normal: Straßenverkäufer bieten Snacks und Souvenirs an, Frauen flanieren unter den Bäumen. Im Inneren der Arena aber kämpfen nicht nur die Gladiatoren. Der berühmte Historiker Tacitus berichtet von den Hooligans aus Pompeji und Nuceria:

"In der typischen Hemmungslosigkeit der Provinzstädte gingen sie erst mit Beschimpfungen aufeinander los, dann mit Steinen, schließlich zogen sie Waffen - wobei die Pompejaner, bei denen die Show veranstaltet wurde, die Oberhand behielten."

Die Ausschreitungen gehen rings um das Amphitheater weiter, es gibt Verletzte und Tote, vor allem unter den Nucerianern. Der Zwischenfall schlägt selbst in Rom Wellen und setzt die Regierungsmaschinerie in Gang: Der Kaiser überweist die Untersuchung an den Senat, der Senat an die Konsuln, die Konsuln zurück an den Senat. Der fällt schließlich sein Urteil: die Rädelsführer werden verbannt und Pompeji darf zehn Jahre lang keine Spiele im Amphitheater mehr ausrichten. Eine Katastrophe, für die Fans genauso wie für die Sponsoren! Zum Glück gibt es Alternativen. Denn nicht nur im Amphitheater, auch hier auf dem Forum werden gelegentlich Spektakel veranstaltet - und die sind vom Verbot nicht betroffen.